Tarmstedter eCarsharing Initiative beschleunigt ins digitale Zeitalter

Elektromobilität? Mobilitätswandel auf dem platten Land? Dafür braucht man ein paar Verrückte vor Ort, die das unterstützen und beharrlich sind. Leute, die sich diese Themen zu einer Art Lebensaufgabe gemacht haben. Gut, dass es in einer Gemeinde wie Tarmstedt solche Menschen gibt! Schon seit 2015 betreiben Sie ein eCarsharing auf privater Basis. Alles allein stemmen zu müssen; die Wartung und Abrechnung der Fahrten, immer telefonisch erreichbar zu sein, dass macht man nur, wenn es sich wirklich um eine Herzensangelegenheit handelt.

Eine Mobilitätsstudie, die in Zusammenarbeit der Samtgemeinde Tarmstedt und dem Regionalmanagement entstand, zeigte den Willen der Bevölkerung: Die Nutzung soll niedrigschwellig angelegt sein, dass heißt so einfach wie möglich. Ein Onlinebuchungsprogramm, dass auch automatisch abrechnen kann, wäre die Lösung! Leider außerhalb der finanziellen Möglichkeiten unserer Protagonisten, selbst wenn man weitere Mitstreiter für einen Mobilitätsverein findet.

Da passt es wunderbar, dass es unter dem Dach des VW-Konzernes eine Carsharingsparte gibt, die zwar Greenwheels heißt, aber bislang nur Wagen mit Verbrennungsmotor vermietet. Carsharing im ländlichen Raum ist ebenso wie Carsharing mit Elektroautos Neuland für die Profis und deshalb höchst interessant. Und so wird die eher kleine Samtgemeinde Tarmstedt zum Pilotprojekt für ein Unternehmen, dass bundesweit sowie in den Niederlanden agiert. Darauf kann man mit Recht stolz sein! Zwei Jahre lang währt die Testphase, eine Zeit voller Erwartungen.

Mit dem Tarmstedter eCarsharing gibt es weiterhin die Möglichkeit, sich ehrenamtlich z. B. zu Arztbesuchen fahren zu lassen. Diese Nutzer brauchen sich natürlich nicht extra registrieren zu lassen, in einigen Fällen gibt es nicht einmal einen Führerschein. Auch diese nachbarschaftliche Komponente gefällt den Verantwortlichen bei Greenwheels und so gibt es dafür eine Sonderlösung.

Das Dorf Rhade steht ebenfalls in den Startlöchern für ein eCarsharingangebot, allein die Lademöglichkeit fehlt noch. Und auch der Dienstwagen der Samtgemeinde wird bald an den Wochenenden nicht mehr nutzlos herumstehen, sondern den Fahrzeugpool ergänzen. Weitere Ideen wie Lastenradsharing, ein Ringschluss von Mitfahrbänken und Verzahnung von Bürgerbusangeboten stehen auf der Agenda. Zur Zeit noch Utopie ist das autonome Fahren, aber wer weiss schon, was in einigen Jahren Normalität sein wird…

Um ein Fahrzeug auszuleihen, muss man sich einmalig registrieren. Die Einholung einer Schufa gehört selbstverständlich dazu. Nach dem Einscannen und Übermitteln der Vertragsunterlagen und des Führerscheines erfolgt noch ein sogenannter Ident-Check per Webcam. Das gefällt mir persönlich nicht so gut, da ich mich bei fremden Zugriff auf meine Hardware unwohl fühle. Ich favorisiere eher das Post-Ident-Verfahren, bei dem man persönlich in eine Filiale gehen kann. Nach wenigen Tagen erhält man die Kundenkarte per Post, mit der sich alle Greenwheels-Wagen öffnen lassen.

Ein paar Fakten:

Greenwheels bietet je nach Nutzungsverhalten verschiedene Tarifoptionen. Es stehen in der Samtgemeinde Tarmstedt z.Zt. sechs eGolfs zur Vergabe. Die Standorte sind: Tarmstedt, Wilstedt, Bülstedt, Vorwerk und Buchholz. Bei Rückgabe sind die Fahrzeuge an die Ladestation anzuschließen, damit auch der nächste Nutzer volles Fahrvergnügen hat. Zum Laden unterwegs ist eine Ladekarte an Bord, die Nutzung ist im Mietpreis inbegriffen. Die durchschnittliche Fahrleistung einer Carsharing-Ausleihe liegt laut Greenwheels bei 55 km; die ein eGolf mit seiner realistischen Reichweite von 200 km locker abdeckt. Dem registrierten Kunden stehen nicht nur die Wagen in der Samtgemeinde zur Verfügung, sondern der komplette Fuhrpark von Greenwheels, z.B. in Städten wie Hamburg oder Berlin.

Wie alles ganz genau funktioniert, erfahren alle Interessierten am 29.08.2018 um 19 Uhr im Tarmstedter Rathaus. Auch hochsommerliche Hitze ist kein Grund, den Termin zu versäumen, der neue Ratssaal ist hervorragend klimatisiert!

Auf dem Bild oben freuen sich (von rechts nach links): Traugott Riedesel, Günther Nase, Jochen Franke, Ulrich Kaschner, Wolf Warncke, Frank Holle und Marcel Bonse.

Bild unten: Moderner „Sesam-öffne-Dich“, über den das Auto mittels Karte oder App aufgeschlossen wird. – Fotos: Christiane Seeger

Eine Erfolgsstory made in Schleswig-Holstein

Wenn nicht nur die regionale Presse berichtet, sondern auch der NDR, RTL und die Auto-BILD, ist die Thematik nicht mehr lokal begrenzt: Werner Schweizer und sein Dörpsmobil haben mittlerweile bundesweit Aufmerksamkeit gewonnen! Der Klixbüller Bürgermeister beschreibt sein Erfolgsmodell des eCarsharing in einem eigens verfassten Leitfaden, den er jüngst auf der Berliner „Grünen Woche“ präsentierte.

Einfach soll es sein

Dieser gefragte Redner weilte jüngst in Tarmstedt zu Gast. Im neuen Rathaussaal erklärte er, was mit ‚KISS‘ gemeint ist – nein, weder Küsse noch eine Musikgruppe. Sondern ‚Keep it simple and stupid‘. So einfach und unkompliziert wie möglich also. (Oder auch geeignet für Doofe… 😜) Einfach mit der Buchung, einfach mit den Tarifen (da könnte sich der ÖPNV mal ein Beispiel dran nehmen), einfach im Ausleihen und Zurückgeben.

Nicht kaputt planen, lieber machen

Das bereits vorhandene Angebot der eCarsharing Gruppe in der Samtgemeinde Tarmstedt sieht er auf einem guten Wege. „Einfach anfangen, nachbessern kann man immer noch“, so seine Meinung.

Mitstreiter gesucht

Der kurzweilige Abend mit anschließender Podiumsdiskussion bewegte auch die zahlreichen Zuhörer. Das Meinungsbild zum Schluss der Veranstaltung gibt dem eCarsharing in Tarmstedt und Umzu gute Chancen. Interessierte Menschen können mir gerne eine Mail schreiben oder einen Kommi hinterlassen, ich lade gerne zu einem unserer nächsten Gruppentreffen ein.

Berichterstattung:

in der Wümme Zeitung, dem Wümme Report, der Kreiszeitung und der Rotenburger Rundschau

Bild: Der Bürgermeister Schweizer mit der Radheldin im Gespräch.

Foto mit freundlicher Genehmigung von: marcus schm!dt, Hamburg

Vor den Toren der Stadt…

  
Ich lese gerade das Buch „Landfrust“ von Axel Brüggemann. Dort heißt es: „Ein Landbewohner verbraucht wesentlich mehr Energie als ein Stadtbewohner. Oft sind es nur Kleinigkeiten … die vielen Autokilometer, die auf dem Land zurückgelegt werden. 75% der Pendler fahren täglich aus dünnbesiedelten Räumen in die Großstädte. All diese Faktoren zusammen zerstören den Mythos vom ökologischen Leben auf dem Land. … Auf dem Land wohnen, um die Schönheit der Natur zu genießen, und dann zwei Autos haben – das ist einfach verrückt.“

Die Infrastruktur hier ist dünn und dabei wohnen wir in Grasberg noch ziemlich im Speckgürtel von Bremen. Wenn ich mein Rad zur Alltagsmobilität nutze, kommen da schon einige Kilometer zusammen. Dazu benötigt man/frau eine ganz schöne Portion Idealismus, um trotzdem nachhaltig unterwegs zu sein.

Positiv betrachtet bedeutet es aber auch, dass ich beim Einkaufen und Fahrten zu irgendwelchen Terminen bereits mein sportliches Workout gleich mitmache. Die vielen dicken PKW auf dem Parkplatz des Sportstudios finde ich einfach nur lächerlich. Der Widerspruch der Leute einerseits bequem dort hinzufahren, um andererseits dann auf einem Ergometer oder Laufband zu trainieren ist doch unglaublich!

Auch hier auf dem Lande ist ein Auto die meiste Zeit des Tages nicht mobil, sondern steht statisch herum. Daher bietet es sich an, ein Auto mit mehreren zu nutzen. Das geht mit konventionellem Antrieb oder noch nachhaltiger mit Elektroautos. Die sind superleise und beschleunigen schnell! Der Spaßfaktor ist also nicht zu verachten. Dazu ist das Aufladen an öffentlichen Ladesäulen kostenlos –  sprich „Tanken“ für lau!

Wer in Tarmstedt, Wilstedt und Umgebung unterwegs ist, sollte seinen Blick auf die neuen Mitfahrerbänke richten. Diese Idee finde ich toll. Da hat sich jemand Gedanken gemacht und ist gleich ans Werk gegangen. Die soziale Komponente wird mit der nachhaltigen verknüpft. Jeder einzelne kann etwas zur Verbesserung beitragen, man muss nur einmal damit anfangen. Einmal in Gang gesetzt, beschleunigen sich positive Prozesse dann oft von selbst.

Vom ADFC gibt es eine Umfrage, die zwar mehr auf städtische Umgebung gerichtet ist, aber meiner Meinung nach sollten auch Menschen teilnehmen, die auf dem Lande wohnen! So ergibt sich die Chance, dass die hiesigen Gemeindevertreter Einblicke in die Bedürfnisse der Radfahrenden bekommen.